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Des Schockwellenreiters Seiten über (Unterhaltungs-) Mathematik

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Und wieder ein paar schöne Mathematikbücher vor, die mir in diversen Antiquariaten untergekommen sind.

1.

Satan, Cantor und die Unendlichkeit Buchtitel Logik ist ein schwieriges Fach, über das schon viele Philosophen gestolpert sind. Besonders wenn es um Paradoxien der Unendlichkeit geht. Aber das abseits der mathematischen Strenge (formale) Logik auch sehr vergnüglich sein kann, hat Raymond Smullyan in zahlreichen Büchern bewiesen. Das jüngste Buch von ihm, das mir in die Finger gefallen ist, heißt »Satan, Cantor und die Unendlichkeit«. Es beginnt, wie auch schon andere Bücher von ihm, mit Denkspielen über Wahrheitssager und Lügner (»Ritter« und »Schurken«), jedoch führt er als dritten Charakter einen Magier ein, der in Wirklichkeit »nur« ein Logiker ist, jedoch so ein trickreicher Logiker, daß er Uneingeweihten als Zauberer erscheint.

Dieser Zauberer begleitet uns durch eine Reihe unglaublicher Abenteuer und besucht mit uns den Planeten Og, auf dem die Ritter- und Schurken-Abenteuer in einer verschärften Variante auftreten: Während die grünen Bewohner der nördlichen Hemisphäre immer die Wahrheit sagen und die roten Bewohner des Nordens immer lügen, ist es auf der Südhälfte des Planeten genau anders herum. Das dies zu weiteren, unblaublich verzwickten, logischen Rätseln führt, dürfte jedem Leser klar sein. Dann besuchen wir die Insel der selbstreproduzierenden Roboter, die nach einem kuriosen formalen System das Programm ihres Lebens stets mit sich tragen. Dieses System führt uns zur Gödelnumerierung und einer originellen Erklärung des berühmten Gödelschen Satzes.

Nach einem Zwischenspiel zu Problemen von Wahrscheinlichkeit, Zeit und Veränderung landen wir bei Cantor und und den logischen Grundlagen, mit denen der Pionier der Mengenlehre die Paradoxien der Unendlichkeit mathematisch handhabbar gemacht hatte.

Zum Schluß wird der Satan von einem Schüler Cantors ausgetrickst, aber das müßt Ihr schon selber nachlesen.

Das Buch ist wie alle Bücher Smullyan unglaublich witzig, aber trotzdem keine einfache Lektüre. Die Rätsel und auch deren Lösungen verlangen vom Leser einiges an Gehirnschmalz. Daher ist es gut, daß die einzelnen Geschichten relativ unabhängig voneinander gelesen werden können. So kann man in kleinen Häppchen den verschlungenen Pfaden der Logik folgen.

Zum Schluß möchte ich die witzige Antwort Smullyans auf die Frage, warum er nicht an Horoskope glaubt, zitieren: »Wie Sie wissen, bin ich Stier. Und Stiere glauben nun einmal nicht an Astrologie.« Think about it!

Raymon Smullyan: Satan, Cantor und die Unendlichkeit und 200 weitere verblüffende Tüftelleien. Aus dem Englischen von Wilderich Tuschmann, Frankfurt/Main (it 1899) 1977

Weitere Bücher Smullyans aus meiner Bibliothek:

Alice im Rätselland, ein im Geiste Lewis Carrols geschriebene Fortsetzung von »Alice im Wunderland« und Alice hinter den Spiegeln (Fischer Logo 8701, 1988).

Spottdrosseln und Metavögel. Computerrätsel, mathematische Abenteuer und ein Ausflug in die vogelfreie Logik (Fischer Logo 8712, 1989).

Und der Vorläufer des besprochenen Bandes »Logik-Ritter und andere Schurken«, ein Buch über diabolische Rätsel, interplanetarische Verwicklungen und Gödelsche Systeme (Fischer Logo 10349, 1991)

Es fehlen mir noch »Dame oder Tiger« (Fischer Logo 8176) und »Simplicius und der Baum« (Fischer Logo 8711), beide zwischen 1988 und 1989 erschienen.

2.

Denkste Buchtitel Nach diesem vergüglichen nun ein eher ernsthaftes Buch: »Denkste!« von Walter Krämer behandelt Trugschlüsse aus der Welt der Zahlen und des Zufalls. Das ganze Buch steht unter dem aristotelischen Motto »Es ist wahrscheinlich, daß das Unwahrscheinliche geschieht« und behandelt zahlreiche populäre Irrtümer aus Wahrscheinlichkeitstheorie und Statistik. Es beginnt damit, daß die meisten »Zufälle« alles andere als unwahrscheinlich sind, behandelt Irrtum und Wahrscheinlichkeit im Alltag, populäre Trugschlüsse beim Roulette und die häufige Beobachtung, daß das Essen im Restaurant beim zweiten Male oft schlechter schmeckt.

Man sieht, daß Krämer dieses Thema sehr amüsant behandelt. Er gibt Lotto-Tips, zeigt, wei man Geld aus Nichts erzeugt und fragt, ob Ehemänner wirklich länger leben. Es ist ein populärwissenschaftliches Buch, mathematisch strenge Beweise wird man vergeblich suchen. Doch die Erklärungen, die Krämer gibt — immerhin ist er Professor für Wirtschafts- und Sozialstatistik an der Universität Dortmund — sind plausibel und einleuchtend. Daneben erfährt der Leser, wie einfach man mit Zahlen manipulieren kann und wie oft er mit Zahlen manipuliert wird. Das Buch ist ein Plädoyer für Nüchternheit und Logik und gegen Irrtum und Aberglaube in der Statistik und Wahrscheinlichkeitstheorie. Daher ein Muß für alle, die bisher nur »den Statistiken glaubten, die sie selber gefälscht hatten«.

Statistik verstehen Buchtitel Krämer ist ein fleißiger Autor, der viele Bücher zu diesem Themenkomplex veröffentlicht hat. Eine interessante und lesenswerte Ergänzung zu obigem Buch ist »Statistik verstehen«, eine Gebrauchsanweisung, wie man die gängigsten statistischen Manipulationen, die uns täglich in den Medien um die Ohren gehauen werden, erkennen und verstehen kann. Daneben sitzt er in dem Kapitel »Chartjunk und Computerschrott« über die Katastrophen zu Gericht, die passieren, wenn man das Denken beim Erstellen einer Graphik dem Computer (und damit in den meisten Fällen der Tabellenkalkulation Excel) überläßt. Unnötige pseudo-dreidimensionale Balken- und Kurvengraphiken nennt er das, was sie sind: namlich Chartjunk und eine Erfindung des Teufels.

Beide Bücher sind absolut empfehlenswert.

Walter Krämer: Denkste! Trugschlüsse aus der Welt der Zahlen und des Zufalls, München (Serie Piper 2443) 4. Auflage 2001

Walter Krämer: Statistik verstehen. Eine Gebrauchsanweisung, München (Serie Piper 3039) 2001

3.

Teitreise Mathematik Buchtitel Zum Schluß möchte ich ein kleines Juwel anpreisen: Die »Zeitreise Mathematik« von Richard Mankiewicz ist ein wunderschönes Buch. Es nimmt uns mit auf eine Reise durch 35.000 Jahre Mathematikgeschichte und macht uns klar, daß die Beschäftigung mit mathematischen Fragen in den verschiedenen Kulturen durchaus nicht nur einer Elite von Priestern, Philosophen und Wissenschaftlern vorbehalten war, sondern Eingang in fast alle Bereiche des menschlichen Lebens fand. Es beginnt mit mathematischen Keilschrifttexten und der Mathematik Ägyptens, behandelt die mathematischen Fragen, die aus der Beobachtung des Sternenhimmels entstanden, zeigt, daß der Satz des Pythagoras nicht nur in Griechenland, sondern auch in Asien »entdeckt« wurde. Die Mathematik Indiens wird ebenso behandelt, wie die Mathematik der islamischen Hochkulturen. Die Entdeckung der Perspektive in der Renaissance und ihre Folgen für die Mathematik sind genauso Thema wie die Erfindung des Buchdrucks, der erstmals mathematische Texte, die auch in der jeweiligen Landessprache gedruckt wurden, einer breiten Bevölkerungsschicht zugänglich machte. Und immer wieder die Astronomie und deren Einfluß auf die Entwicklung der Mathematik, aber auch die Verbindungen zwischen Kartographie und Mathematik werden behandelt.

Es endet mit der neuen Geometrie, der Chaos- und Komplexitätstheorie und dem Wechselspiel von Mathematik und moderner Kunst.

Das reich illustrierte Buch ist ein populäres Buch, außer zur Illustration kommen Formeln nicht vor. Dafür gibt es Portraits berühmter Mathematiker von Kepler bis Abel und Euler und wunderschöne Abbildungen, die Lust auf mehr machen. Der Text ist in der Regel spannend und flüssig geschrieben, manchmal etwas zu ungenau, man wünschte sich da doch etwas mehr Tiefe. »Echte« Fehler habe ich aber nicht gefunden, doch das bleibt auch »echten« Mathematikhistorikern vorbehalten.

Einziger Schwachpunkt des Buches ist die etwas leseunfreundliche Typographie von den zu langen und zu klein und zu eng gesetzten Zeilen des Fließtextes bis hin zu der sehr seltsamen, schwer lesbaren Schrift für Überschriften und Marginalien. Ansonsten ist das Buch ein würdiger Nachfolger des schon etwas betagten (aber trotzdem immer noch guten) »Die Welt der Mathematik«, für mich bisher die bilderreichste Einführung in die Geschichte der Mathematik.

Richard Mankiewicz: Zeitreise Mathematik. Vom Ursprung der Zahlen bis zur Chaostheorie. Mit einem Vorwort von Ian Stewart, Köln (vgs) 2000.

Lancelot Hogben: Die Welt der Mathematik. Zahlen formen ein Weltbild, Stuttgart (Belser Verlag) 1970.


Erstveröffentlichung: Sylvester 2002